Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste |
Laudatio zur Verleihung des Adolf
Klima-Stipendiums an Dr. Alexander Zäh,
Maintal, aufgrund der Edition des Werkes „Wissenschaftlicher Nachlass der
deutsch-böhmischen Expedition nach Lykaonien, Ost-Pamphylien und Isaurien
(Kleinasien) durchgeführt im Jahre 1902“.
Das
antike Kleinasien war von der Altertumswissenschaft des 19. Jahrhunderts vor
allem als der östliche Teil der griechisch-römischen Welt angesehen und daher
auch als ein Forschungsgebiet der klassischen Archäologie, alten Geschichte und
vor allem auch der Epigraphik betrachtet worden. Das Interesse der ersten
Forschungsreisenden war in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zunächst der
Identifizierung antiker Orte gewidmet und der damit verbundenen Sammlung von
antiken Inschriften, die in den ersten Bänden von A. Boeck, Corpus Inscriptionum II/III
(1843-53) ediert wurden. Um die Mitte des 19. Jahrhundert münden diese ersten
Ansätze zur Wiedergewinnung des kleinasiatischen Altertums in Museumsgrabungen,
die in erster Linie die Bereicherung der großen europäischen und amerikanischen
Sammlungen durch Architekturfragmente, Skulpturen und Reliefs zum Ziel hatten.
Die erste Phase der von wissenschaftlichen Maßstäben bestimmten archäologischen
Ausgrabungen galt danach auch zunächst der Untersuchung der großen antiken
Städte an der ägäischen Westküste, wie in Didyma,
Ephesos, Milet und vor allem in Pergamon, wo die deutschen Grabungen 1878
begannen. Es war Heinrich Schliemann
vorbehalten, mit seiner bereits 1870 in Hisarlik-Troia
einsetzenden Ausgrabung zum ersten Mal den Blick der wissenschaftlichen Welt
auch auf die anatolische Frühzeit zu lenken. Hingegen blieb das Interesse der
Altertumswissenschaft an Altanatolien, d. h. an einer Erforschung der
zentralanatolischen Hochebenen, weiterhin gering. Nur wenige gelehrte
Gesellschaften, wie die Preußische Akademie der Wissenschaften oder die
Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien sowie die American School of Classical Studies at Athens, hatten sich der Erschließung dieser Landschaften gewidmet.
Erst seit den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wandte sich die
archäologische Forschung zunehmend auch Zentralanatolien zu, wie die vor allem
von Hans-Henning von der Osten im Namen des Oriental Institute der Universität Chicago 1927 einsetzende Folge seiner „Explorations in
Hittite Asia Minor“ zeigen.
Die
deutsch-böhmische archäologische Expedition nach Kleinasien wurde 1902 aufgrund
einer Anregung des aus Prag stammenden Otto Benndorf, Initiator der „Commission
für archäologische Erforschungen Klein-Asiens“ an der Wiener Universität, von
der bereits 1891 in Prag gegründeten „Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Literatur und Kunst in Böhmen“ nach Kleinasien entsandt. Die
Prager Unternehmung hatte eine klare Zielsetzung, die ganz in der
kaiserzeitlichen Tradition der ersten von Anton Ritter von Prokesch-Osten
und Karl Graf Lanckoroski geführten Forschungsreisen
stand. Sie galt der Erforschung der noch wenig bekannten antiken Landschaften Lykaonien im zentralanatolischen Hochland und der im
Taurusvorland beziehungsweise an der Mittelmeerküste liegenden Regionen Ost-Pamphylien und Isaurien. Der
unter Leitung des Altphilologen Heinrich Svoboda, damals Rektor der Prager
Universität, geführten Expedition, der als Mitglieder der Hochbauingenieur und
Architekt Fritz Knoll, der klassische Philologe und Archäologie Julius Jüthner und der Balkanologe Carl Ludwig Patsch angehört
hatten, war ein großer wissenschaftlicher Erfolg beschieden. Während der von Konya aus zwischen 4. April und 28. Juni unternommenen
Feldforschungen gelangen Beobachtungen, die auch heute noch für die anatolische
Archäologie von Bedeutung sind. In Fasillar wurden in
der Nähe des Beysehir-Sees Aufnahmen der 1884 von
J.R. Sitling-Sterrett entdeckten 7,40 m hohen Stele
des hethitischen Berggottes von Fasillar ebenso
hergestellt wie des seit 1837 durch W.J. Hamilton bekannt gemachten
großreichszeitlichen Quellheiligtums von Eflatun Pinar. Dokumentiert wurden aber vor allem antike,
byzantinische und seldschukische Bauten und
Denkmäler, darunter auch die inzwischen zerstörte Karawanserai
von Yenicehan. Größere Aufmerksamkeit widmete die
Prager Forschergruppe der im Taurusvorland liegenden Stadt Isaura Palaia, die in der christlichen Zeit den
Namen Leontopolis
erhielt. Die hier gemachten Aufnahmen vor allem der christlichen Kirchenbauten
sind von besonderem Wert, da inzwischen einige der antiken Gebäude weitgehend
verschwunden sind. Als wichtigstes Ergebnis galten aber die von 300 antiken
Inschriften hergestellten Aufnahmen und Abklatsche. Aber auch die Bilder, die
noch unverfälschte Dorfarchitektur und Menschen in ihrer traditionellen Tracht
zeigen, bereichern unsere Kenntnis des osmanischen Anatolien.
Nach
Abschluss der Prager Expedition erschien bereits 1903 ein damals viel
beachteter Vorbericht, der von J. Jüthner, F. Knoll,
K. Patsch und H. Swoboda verfasst worden war. Zwei Kurzberichte sind 1902 und
1903 von H. Swoboda veröffentlicht worden. Verschiedene „widrige Umstände“
hatten die von H. Swoboda geplante monographische Vorlage der
Expeditionsergebnisse, zu der auch die wichtige Edition der reichen Ausbeute
antiker Inschriften gehört hätte, verhindert. Die abschließende Publikation der
Forschungsergebnisse kam schließlich erst nach der schwierigen Wiederbelebung der
„Deutschen Gesellschaft der Wissenschaft und Künste für die Tschechoslowakei“
im Jahre 1924 und nach dem Tod des ehemaligen Expeditionsleiters Swoboda vor
allem dank der Bemühungen des Wiener Althistorikers Josef Keil zustande. In die
1935 vorgelegte Veröffentlichung konnte aufgrund fehlender finanzieller Mittel
jedoch nur ein geringer Teil der originalen photographischen Aufnahmen
aufgenommen werden. Es ist daher Herrn Dr. Alexander Zäh zu danken, der schon
als Student sich für die Geschichte dieser wenig bekannten deutsch-böhmischen
Expedition nach Kleinasien interessierte. Die Herkunft seiner Eltern aus dem
Kreis Troppau, in dem der Laudator selbst geboren
ist, mag dafür eine Erklärung geben. Dieses Interesse wurde aber durch seine am
Zentralinstitut für Kunstgeschichte an der Frankfurter Universität 2001
vorgelegte Dissertation gefördert, die 2003 unter dem Titel „Zur Typologie
kirchlicher Architektur im südwestlichen Kleinasien“ erschienen ist. Es ist
sein Verdienst, sich um die verloren geglaubte Dokumentation dieser
deutsch-böhmischen archäologischen Expedition bemüht zu haben. Dank der
Unterstützung durch Tomás Alusik und Jan Kostenec konnte die heute im Stadtarchiv zu Prag
aufbewahrte, noch erhaltene Dokumentation und außerdem die ins Bayerische Hauptstaatsarchiv
gelangten Unterlagen aus dem Nachlass von Carl Ludwig Patsch im Jahre 2006
gesichtet werden. Gefördert wurde diese Archivarbeit auch durch die
Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften. Es muss daher als ein Glücksfall
bezeichnet werden, daß dank der überraschend
aufgefundenen Korrespondenz, Notizen und vor allem der wenigen erhaltenen
photographischen Aufnahmen der Ablauf dieser wichtigen archäologischen
Expedition nach Kleinasien und die Probleme bis zur Edition des
Abschlußberichts von 1935 nachgezeichnet werden können. Besonders erfreulich
ist jedoch die Tatsache, daß das Prager Stadtarchiv
bereit war, den Nachlass für eine gemeinsam mit Jan Kostenec
herausgegebene Bearbeitung zur Verfügung zu stellen. Das Manuskript soll mit
einem Vorwort von Herrn Professor Dr. G. Dobesch von
der Kleinasiatischen Kommission der ÖAW als Ergänzungsband 26 in den
angesehenen „Tituli Asiae Minoris“ erscheinen. Vielleicht wird diese Publikation dann
auch andere Kollegen etwa in Prag anregen, nach weiteren Unterlagen dieser
Expedition zu forschen, denn nur ein Teil der 400 Photos umfassenden
Dokumentation ist erhalten geblieben.
Die
Dokumentation, der eine willkommene Vorstellung der Expeditionsteilnehmer
vorangestellt wurde, ist mit Umsicht vorgelegt und kommentiert. Da Herr Zäh im
Auftrag der Kleinasiatischen Kommission der ÖAW eine Erkundungsreise in das isaurisch-lykaonische Gebiet unternehmen konnte, war ihm
auch eine Identifizierung der im Gelände gemachten Beobachtungen erleichtert
worden. Zu den Abbildungen sind ausreichende Erläuterungen der Denkmäler,
antiken Stätten, Land und Leute gegeben. In diesen Erläuterungen wird seine
Kenntnis der antiken Topographie und spätantiken bzw. byzantinischen
Baugeschichte dieser Landschaften im südlichen Zentralanatolien und im
südlichen Taurusvorland sichtbar, die er auch in mehreren wichtigen
Veröffentlichungen zur christlich-byzantinischen Architektur dieser Regionen
bewiesen hat. Zu dieser Laudatio gehört jedoch nicht nur der Nachweis seiner
Verdienste in seinem engeren Fach Byzantinische und Christliche
Kunstgeschichte, sondern auch ein Hinweis auf seine Vielseitigkeit auf ganz
anderen Gebieten. Obwohl mir ein wissenschaftlicher Lebenslauf nicht vorgelegen
hat, ist mir seine besondere Vorliebe für die Operette der 40er Jahre und der
Popmusik der 60er nicht entgangen. Auch zu diesen Themen hat er Beiträge
vorgelegt.
Die
Edition des wissenschaftlichen Nachlasses der deutsch-böhmischen
archäologischen Expedition nach Lykaonien, Ost-Pamphylien und Isaurien ist
von Herrn Dr. Alexander Zäh mit großer Sorgfalt hergestellt worden. Besondere
Würdigung verdient sein Einsatz, die unter glücklichen Umständen erhalten
gebliebene Dokumentation und Korrespondenz aufgefunden und aufgearbeitet zu
haben. Die von der angesehenen Kleinasiatischen Kommission der ÖAW geplante
Veröffentlichung stellt nicht nur eine wichtige Ergänzung zu den bekannten
Forschungsergebnissen der Prager Expedition dar, sondern bildet auch ein
zeitgeschichtliches Dokument einer in Prag untergegangenen deutschen
Forschungstradition. Der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und
Künste und ihrem Präsidenten Rudolf Fritsch gereicht es zur Ehre, Herrn Dr.
Alexander Zäh das Adolf-Klima-Stipendium zu verleihen.
Heidelberg, den 30. Oktober 2007.
Prof. em. Dr. Harald Hauptmann